Die aktuelle Situation aufgrund der Ausbreitung von Covid-19 stellt nicht nur die größte Gesundheitskrise unserer Zeit und eine Gefährdung für die Wirtschaftswelt dar, sondern bringt auch erhebliche Rechtsunsicherheit mit sich. Von den neuesten Maßnahmen der Bundesregierung (38-Millarden Wirtschaftshilfe!) ist der überwiegende Teil der österreichischen Unternehmens- und Arbeitswelt betroffen. Auch diejenige, die ihren Betrieb (noch) funktionsfähig erhalten bzw. in Homeoffice verlagert haben, stellen sich derzeit zahlreiche Fragen rund um das Arbeitsrecht. Vor allem auch die Inanspruchnahme des speziellen Corona-Kurzarbeitsmodells stellt für viele Unternehmen eine interessante Möglichkeit dar. Der folgende Artikel bietet einen Überblick über wesentliche arbeitsrechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise.

 

Fürsorgepflichten der Arbeitgeber | Treuepflichten der Arbeitnehmer

Das österreichische Arbeitsrecht (insb. das Arbeitnehmerschutzgesetz) sieht zahlreiche Fürsorgepflichten des Arbeitgebers bzw. Vorschriften zum Arbeitnehmerschutz vor. Umgekehrt treffen auch Arbeitnehmer entsprechende Treuepflichten gegenüber ihren Arbeitgebern. Aufgrund der COVID-19-Krise ergeben sich einige situationsspezifische Fürsorge- und Treuepflichten, welche durch die neuesten Aufforderungen und Empfehlungen der Bundesregierung noch verschärft werden.

Im Hinblick auf die COVID-19-Krise haben Arbeitgeber aufgrund ihrer Fürsorgepflichten erforderliche Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit und des Lebens der Arbeitnehmer zu setzen (wie z.B. zusätzliche Hygienevorschriften, Verschiebung von Dienstreisen, Anordnung von Homeoffice (sofern möglich), Meldepflicht bei einem Verdachtsfall im Betrieb). Aufgrund der Treuepflichten der Arbeitnehmer haben diese auch entsprechenden Informations- (z.B. bei Aufenthalt in Risikogebieten oder Verdacht der Ansteckung) oder Kooperationspflichten (z.B. Befolgung der Anordnung von Homeoffice) nachzukommen.

 

Homeoffice

Homeoffice muss grundsätzlich zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer vereinbart werden. Homeoffice kann daher vom Arbeitgeber dann angeordnet werden, wenn der Dienstvertrag entsprechende Regelungen vorsieht. Dafür kann etwa auch eine allgemeine Klausel über das Versetzungsrecht des Arbeitgebers ausreichend sein, sofern der Wohnort des Arbeitnehmers davon erfasst ist.

In Anbetracht der Aufforderung der Bundesregierung zur Verrichtung der Arbeit von zu Hause aus, ist davon auszugehen, dass in dieser Situation Arbeitgeber – auch ohne entsprechende Vereinbarung – zur Anordnung von Homeoffice aufgrund der sie treffenden Fürsorgepflichten berechtigt bzw. verpflichtet sind und Arbeitnehmer aufgrund der Treuepflicht dieser Anordnung Folge zu leisten haben. Die Anordnung von Homeoffice ist auch dann möglich, wenn sich Arbeitnehmer in Quarantäne befinden, aber arbeitsfähig sind.

 

Urlaubsrechtliche Themen

Viele stellen sich derzeit die Frage, ob Arbeitgeber ihre Mitarbeiter einseitig in Urlaub „schicken“ können.

Das Urlaubsgesetz sieht vor, dass der Zeitpunkt des Urlaubsverbrauchs zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber einvernehmlich festzulegen ist. Dabei sind einerseits Betriebsinteressen der Arbeitgeber andererseits Erholungsbedürfnisse der Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Abgesehen von wenigen gesetzlich vorgesehenen Ausnahmen zugunsten der Arbeitnehmer (z.B. bei Pflegebedarf) besteht grundsätzlich keine Möglichkeit einer einseitigen Bestimmung der Urlaubsinanspruchnahme. Auch für einen Betriebsurlaub ist stets eine Einzelvereinbarung erforderlich.

Allerdings ist nach der Rechtsprechung eine rechtsmissbräuchliche Verweigerung des Urlaubsverbrauchs durch einen Arbeitnehmer unzulässig. Ob und wann eine rechtsmissbräuchliche Verweigerung vorliegt, ist nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Einige Rechtsexperten vertreten die Ansicht, dass die Interessenabwägung bzw. eine solche Verweigerung strenger zu beurteilen ist, sofern es sich um einen Urlaubsanspruch aus dem vergangenen Urlaubsjahr handelt, zumal das Urlaubsgesetz explizit vorsieht, dass der gesamte Urlaubsanspruch möglichst bis zum Ende des jeweiligen Urlaubsjahres zu konsumieren ist. Gerade in der aktuellen Situation ist u.E. davon auszugehen, dass eine Verweigerung des Abbaus von Alturlauben unzulässig wäre.

Weitere Möglichkeiten stellen zum Beispiel Vereinbarungen von unbezahltem Urlaub oder einer Bildungskarenz dar.

Im Falle von Schließungen von Schulen und Kindergärten können Sonderurlaube bis zu drei Wochen vereinbart werden, wobei in diesem Falle ein Drittel der Lohnkosten vom Bund übernommen wird. Die Entscheidungsbefugnis steht dem Arbeitgeber zu. In Anbetracht der Aufforderungen der Regierung ist eine grundlose Ablehnung der Gewährung der Sonderurlaubzeit im Zweifel nicht ratsam.

Von den obigen Ausführungen Abweichendes kann sich im Zusammenhang mit dem Corona-Kurzarbeitsmodell ergeben (Näheres siehe sogleich).

 

Abbau von Überstunden

Auch der Abbau eines Zeitguthabens (Überstunden) muss grundsätzlich vereinbart werden. Ausnahmen davon bestehen etwa bei Gleitzeitvereinbarungen oder bei entsprechenden Regelungen in Kollektivverträgen.

In Anbetracht der alle herausfordernden COVID-19-Krise ist davon auszugehen, dass Arbeitnehmer aufgrund ihrer Treuepflichten einen vom Arbeitgeber angeordneten Zeitausgleich bzw. Überstundenabbau derzeit nicht – zu Recht – ablehnen können. Besondere Verpflichtungen des Arbeitnehmers ergeben sich auch im Zusammenhang mit dem Corona-Kurzarbeitsmodell, welches im Folgenden ausführlich dargelegt wird.

 

Reduktion der Arbeitszeit

Eine Reduktion der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit bedarf ebenso einer Zustimmung des Arbeitnehmers. Eine besondere Möglichkeit der Reduktion der Arbeitszeit stellt das neue Kurzarbeitszeit-Modell dar.

 

Kurzarbeitszeit-Modell

Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Corona-Kurzarbeitsmodells ist, dass der Arbeitnehmer vor Beginn der Kurzarbeit auf Wunsch des Arbeitgebers das Urlaubsguthaben vergangener Urlaubsjahre sowie Zeitguthaben zur Gänze konsumieren muss. Weiters ist eine (Muster-)Sozialpartnervereinbarung zwischen der Wirtschaftskammer und Gewerkschaft und die Zustimmung des Arbeitsmarktservice erforderlich. Der Antrag auf Corona-Kurzarbeit kann von Unternehmen aller Branchen und aller Größenklassen eingebracht werden.

Die Arbeitszeit darf zeitweise um bis zu 100% verkürzt werden, sodass Arbeitnehmer zur Gänze freigestellt werden können. Die Normalarbeitszeit muss jedoch im gesamten Kurzarbeitszeitraum mindestens 10% betragen. Die Lage der Normalarbeitszeit kann im Einvernehmen mit dem Betriebsrat bzw. mit den Arbeitnehmern ebenfalls verändert werden. Überstunden sind (in Ausnahmefällen) auch während der Kurzarbeit möglich.

Die Dauer der Corona-Kurzarbeit darf max. 3 Monate betragen. Bei Bedarf ist eine Verlängerung um weitere 3 Monate nach Sozialpartnergesprächen möglich. Im Falle der Verlängerung der Kurzarbeitsvereinbarung über drei Monate hinaus müssen Arbeitnehmer allerdings weitere drei Urlaubswochen konsumieren.

Die Nettoentgeltgarantie sieht vor, dass Arbeitnehmer mit einem Bruttoentgelt unter EUR 1.700,‑‑ ein Entgelt von 90% des vor der Kurzarbeit bezogenen Nettoentgelts erhalten. Bei Bruttoentgelten zwischen EUR 1.700,-- und EUR 2.685 sind es 85% und bei Bruttoentgelten über EUR 2.685,-- sind es 80%. Die Arbeitgeber tragen die Kosten der Entgeltfortzahlung im Ausmaß der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit, die Mehrkosten werden durch das AMS (bis zur Höchstbeitragsgrundlage) übernommen bzw. ersetzt. Die Auszahlung der Kurzarbeitsbeihilfe durch das AMS an die Dienstgeberin erfolgt im Nachhinein pro Kalendermonat.

Sozialversicherungsbeiträge werden ebenfalls ab dem ersten Monat vom AMS übernommen. Diese bemessen sich auch während der Kurzarbeit am Entgelt vor Kurzarbeit.

Bei Urlaub und Krankenständen während Kurzarbeit gebührt den Arbeitnehmern jedoch wie bisher das volle Entgelt wie vor Kurzarbeit.

Kündigungen sind während der Kurzarbeit und einen Monat danach nicht erlaubt. Nur in besonderen Ausnahmefällen kann die Kündigung vom AMS bewilligt werden und die Behaltepflicht entfallen.

Ausgenommen vom Corona-Kurzarbeitsmodell sind Mitglieder der geschäftsführenden Organe (gewerberechtlicher und handelsrechtlicher Geschäftsführer, Vorstand), leitende Angestellte, Lehrlinge und geringfügig Angestellte.

Sonderfragen: Keine Auswirkungen der Kurzarbeit ergeben sich bei Abfertigung alt und neu. Hier ist jeweils von der Arbeitszeit bzw. dem Entgelt vor Einführung der Kurzarbeit auszugehen. Auch für die Bemessung des Urlaubsentgeltes (und ggf. der Urlaubsersatzleistung) ist die Arbeitszeit vor Kurzarbeit zu Grunde zu legen. Bei Berechnung des Entgeltes nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz gilt dies ebenfalls. Das gilt auch für eine allfällige Kündigungsentschädigung. Sonderzahlungen sind ebenfalls stets auf Basis des Entgelts (oder Bruttolohn, je nach Kollektivvertrag) vor Kurzarbeit zu bezahlen

Die Kurzarbeit kann rückwirkend zum 1.3.2020 beantragt werden.

 

Entgeltszahlung bei einer behördlichen Betriebsschließung

Das Epidemiegesetz 1950 sah vor, dass im Falle von behördlichen Betriebsschließungen die Vergütung für den Verdienstentgang der Arbeitnehmer vom Bund getragen wird. Das neue vom Nationalrat beschlossene COVID-19 Fondsgesetz sieht keine derartige Regelung vor. Es ist nun also unklar, wer die Lohnkosten während der Schließungsmaßnahmen zu tragen hat bzw. ob allenfalls die Entgeltsfortzahlungspflicht im Falle einer vollständigen Betriebseinstellung entfällt. Es bleibt also noch abzuwarten, ob diese Lücke durch die Verordnung des BMF geschlossen wird.

 

Personalabbau

Als Ultima Ratio ist Personalabbau zu verstehen. Kündigungen können jedoch nur nach allgemeinen Regeln bzw. unter Einhaltung von gesetzlich oder vertraglich geregelten Kündigungsfristen und Terminen erfolgen. In Betrieben mit Betriebsrat ist dieser rechtzeitig zu verständigen. Wenn mehrere Dienstverhältnisse innerhalb von 30 Tagen beendet werden sollen, hat eine vorherige Bekanntgabe an das Arbeitsmarktservice zu erfolgen, wobei die Beendigungen erst nach Ablauf einer Wartefrist von 30 Tagen erfolgen dürfen („Frühwarnsystem“).

 

Fazit

Die COVID-19-Krise wirft zahlreiche Fragestellungen rund um die Arbeitsverhältnisse sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer auf. Der Versuch einer einvernehmlichen Lösungsfindung mit Augenmaß für Arbeitgeber und Arbeitnehmerseite gleichermaßen sollte in dieser herausfordernden Zeit jedenfalls das Ziel sein. Die Bundesregierung hat soeben ein umfangreiches 38-Milliarden(!)-Maßnahmenpaket vorgestellt, welchem bei der Bewältigung dieser Situation jedenfalls wesentliche Bedeutung zukommen wird.

 

Autoren: Dr. Maximilian Zirm, LL.M., Mag. Milka Milicic, Anna Portenschlager LL.M.

 

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