Gute Recruiting-Kommunikation ist mehr als bloße Oberflächengestaltung von Stellenanzeigen. Gefordert sind Authentizität und Attraktivität bei maximaler Transparenz. Ein rein Marketing-getriebener Ansatz greift dabei zu kurz.

Seit einigen Jahren wird die Arbeitswelt von einem massiven Fachkräftemangel (in manchen Branchen sogar einem regelrechten Arbeitskräftemangel) gepeinigt. Tendenz: Eher nicht besser werdend. Damit einher geht in vielen Branchen auch ein tiefschürfender Paradigmenwechsel: Unternehmen sehen sich plötzlich selbst in die Rolle von Bewerbenden gedrängt, bei potenziellen (aber auch aktuellen) Mitarbeiter:innen. Wie die klassischen arbeitssuchenden Bewerber und Bewerberinnen müssen auch Unternehmen gut vorbereitet sein und können nicht mit irgendwelchen vagen Standardfloskeln punkten. Um dieser Herausforderung gerecht zu werden, gibt es Employer Branding. Seit einigen Jahren eine heiß gehandelte Spezialwaffe im „War for Talents“, die aber nur dann wirksam ist, wenn sie konkret, authentisch und ehrlich ist.

Dass Employer Branding mehr können muss, als lausige und/oder lausig bezahlte Jobs durch aufhübschende Beschreibungen fiktiv aufzuwerten, haben die meisten Unternehmen heute (zumindest in der Theorie) erkannt: Was kommuniziert wird, muss auch in der Praxis halten. Nur dann stellt sich nachhaltiger Erfolg ein.

Damit Employer Branding einen Arbeitgeber glaubhaft und attraktiv positioniert, ist also eine HR-Kommunikationsstrategie vonnöten, die solide Fakten (Gehalt, Arbeitszeitmodelle, Benefits etc.) mit Marketing-Elementen zusammenspannt und über alle relevanten Touchpoints hinweg (Stellenausschreibungen, Karrierebereich auf der Website, Social Media-Content etc.) konsequent und konsistent agiert.

Anders gesagt: Es braucht die richtigen Botschaften für die richtigen Menschen auf den richtigen Kanälen in der richtigen Tonalität zum richtigen Zeitpunkt. Um dies leisten zu können, müssen Sie Ihre Zielgruppe gut kennen und die passenden Methoden (z.B. Candidate Personas) strukturiert anwenden können – und bei dieser Arbeit richtig in die Tiefe gehen. Schnell eine Pflichtübung erfüllen und diese hübsch designen wird nicht zum Erfolg führen – nicht auf der Karrierewebsite und auch nicht in den Jobinseraten.

 

Es gibt keine Cheats und Zauberworte – nur ehrliche Überzeugungsarbeit

Die schnellen Cheats oder magischen Zauberworte, mit denen alles, was potenziellen Bewerber:innen möglicherweise fragwürdig erscheint, gleich viel heller und besser erstrahlt, gibt es nicht. Auch wenn die Versuchung, manches abzukürzen und sich lästige Arbeit zu ersparen, in der HR-Kommunikation groß ist.

Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang gut an ein Erstgespräch mit einem potenziellen Kunden, der dann doch keiner wurde, als er gesehen hat, dass Employer Branding und professionelle Recruiting-Kommunikation richtig Arbeit machen. Was war passiert? Mit meiner Geschäftspartnerin haben wir den Geschäftsführer darauf hingewiesen, dass die Kommunikation des Unternehmens Bewerber:innen gegenüber insgesamt nicht sehr wertschätzend klingt. Der Unternehmer wollte absolut nichts verändern (und schon gar nicht die Unternehmenskultur), um mehr Wertschätzung zu vermitteln. Seine Lösung war einfach, eine Zeile in den Stellenanzeigen hinzufügen: "Bei uns werden Sie wertgeschätzt". Nein, so wird man nicht glaubwürdiger und schon gar kein wertgeschätzter zukünftiger Arbeitgeber.

 

Recruiting-Kommunikation ist kein „Eislutscher“ & Produkt-Marketing ist kein Job-Marketing!

Warum also die Employer Branding-Kommunikation nicht einfach ganz dem Marketing überlassen? Die kennen sich mit Branding und „Attraktivierungssprech“ schließlich gut aus. Wenn zwischen den verschiedenen Produktmarketing-Aufgaben ein paar Minuten Zeit sind, dann wäre das doch eine gute Möglichkeit? Überspitzt formuliert wäre das geradewegs so, als würde man ein Loch im Zahn anstatt vom Zahnarzt von der Straßenmeisterei behandeln lassen – schließlich hantieren die doch auch mit Bohrern.

Anders gesagt: Employer Branding & Recruiting-Kommunikation, die wirken soll, sind mit klassischem Produktmarketing eben nur bedingt vergleichbar. Zum Teil gibt es sogar gravierende Unterschiede: Während in letzterem das initiale Spiel mit Gefühlen legitim ist, um Interesse und Lust an einem Produkt zu wecken, kann derselbe Ansatz beim Employer Branding völlig kontraproduktiv sein. Viele Menschen reagieren nämlich mit großer Skepsis und Misstrauen, wenn sie anstatt einer konkreten Arbeitsrealität und harten belastbaren Fakten (Gehalt, Benefits etc.) mit Schaumschlägereien aus dem Wolkenkuckucksheim ("arbeiten wo andere Urlaub machen") abgefertigt werden. Der Einsatz vergeudeter Lebenszeit und Energie in einem schlechten Job wiegen eben doch schwerer als ein paar zum Fenster hinausgeworfene Euro für einen geschmacklich fragwürdigen "Eislutscher".

Employer Branding & Recruiting-Kommunikation sind in diesem Sinne stets interdisziplinäre Aufgaben, bei denen Marketing und HR eng zusammenarbeiten und einen klaren Plan haben müssen. Sonst gewinnt man zwar vielleicht Preise für wirkungslose schöne Kampagnen – aber eben keine guten Mitarbeiter:innen.

Im Workshop "Überzeugende Stelleninserate entwickeln & texten" lernen Sie praxisnah, wie erfolgreiche Recruiting-Kommunikation aufgebaut wird und welche Dos & Don‘ts dabei zu beachten sind.

 

Autor: Mag. Markus Leiter

Seminartipp: Überzeugende Stelleninserate entwickeln & texten