Auch wenn die aktuelle Corona-Krise derzeit nahezu alle anderen Themen überschattet, hat sie mit der Betreiberverantwortung doch eines gemeinsam – den Schutz von Menschen vor Verletzungen oder Krankheiten sicherzustellen. Aber fällt nicht auch der professionelle Umgang mit einer Pandemie in die Betreiberverantwortung? In logischer Weiterführung des Motivs des Gesetzgebers für die unter diesem Begriff zusammengefassten Gesetze, Verordnungen und anderer Rechtsinstrumente meines Erachtens, ja!

Warum? Weil der Begriff des Betreibens nicht nur auf den technischen Gebäudebetrieb anzuwenden ist, sondern im weiteren Sinn auch auf den Betrieb von Unternehmen generell. Hierbei kommt es lediglich zur Verschiebung der Bedeutung bestimmter Rechtsmaterien, wie etwa den Verkehrssicherungspflichten, die im Gebäudebetrieb große Bedeutung haben, in Unternehmen jedoch weniger. Dafür ist dort der Arbeitnehmerschutz von vergleichbar größerer Bedeutung. Die Verantwortung (Haftung) für Erfüllungsgehilfen ist ein in beiden Bereichen gleichbedeutendes Risiko des jeweiligen Entscheidungsträgers.

Ein weiteres Element, das hier immer mitschwingt, ist die Privatautonomie und damit verbunden die Eigenverantwortung des Individuums. Diese hat z.B. in der Schweiz einen ganz anderen Stellenwert als in vielen anderen europäischen Ländern. Und vielleicht ist genau das der Grund, warum wir alle gern die Schweiz als Vorbild zitieren.

 

Beispiele aus der aktuellen medialen Berichterstattung

 

Forderungen:

„Wenn die Baustellen fortgeführt werden müssen, wenn wir weiter arbeiten müssen, dann brauchen wir zusätzliche Schutzmaßnahmen, um die Arbeiter auf den Baustellen zu schützen.“
GBH-Vorsitzender Josef Muchitsch im Ö1 Mittagsjournal am 27.04.

Damit spricht Herr Muchitsch eindeutig die Verantwortung des Unternehmens für seine Mitarbeiter an (Arbeitnehmerschutzpflichten) und fordert, dass sich dieses  - oder wer auch immer – um Schutzmaßnahmen zu kümmern hätte. In einer anderen Funktion hätte er vielleicht an die Mitarbeiter des Unternehmens appelliert, sich proaktiv richtig zu verhalten, um gesundheitliche Gefährdungen maximal zu reduzieren.

 

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Reaktion des (hysterischen?) Umfeldes:

Corona-Krise am Bau: Anfeindungen auf Baustellen 

a3Bau, 30.03.2020, Sabine Müller-Hofstätter

In diesem Artikel wird darüber berichtet, dass eine Baufirma aus Hof am Leithagebirge wegen der Fortführung der Bauarbeiten angezeigt wurde, obwohl alle entsprechenden behördlichen Vorschriften, insbesondere die Reduktion der Mitarbeiterzahl zwecks Einhaltung der Sicherheitsabstände vom Unternehmen und seinen Mitarbeitern eingehalten wurden. Nach positivem Lokalaugenschein durch die Polizei wurde die Fortführung der Baustelle genehmigt.

 

Corona-Krise am Bau? Jedenfalls fehlt es an Abstand

Eine Anzeige beim Arbeitsinspektorat führte zur sofortigen Einstellung von einer Baustelle.

Tiroler Tageszeitung, letztes Update am Dienstag, 24.03.2020, 06:40, von Reinhard Fellner.

Hier wird zusammengefasst darüber berichtet, dass ein Handelsunternehmer eine Baufirma wegen Fortführung ihrer Arbeiten angezeigt hat. Anwaltliche Begründung der Anzeige: Im Baugeschäft kann der vorgeschriebene Sicherheitsabstand von einem Meter nicht eingehalten werden. Des Weiteren wurde auch auf eine Erklärung der STRABAG verwiesen, dass das Baugeschäft mit der „Ein-Meter-Regel“ nicht durchgeführt werden könnte. Laut Bericht wurde allerdings keine Vor-Ort Überprüfung durchgeführt, es reichte ein Anruf des Arbeitsinspektors, um die Arbeiten auf der Baustelle schon am nächsten Tag einzustellen. Offen bleibt, ob die Einstellung deshalb erfolgt ist, weil die Verhältnisse vor Ort tatsächlich rechtswidrig waren, oder ob der Unternehmer schlichtweg keine Probleme mit Polizei und Justiz haben wollte.

 

Das Dilemma der Corona-Krise

Diese drei beispielhaft ausgewählten Artikel zeigen das Dilemma, in dem sich unsere Gesellschaft aktuell befindet relativ genau. Da wird einerseits gefordert, dass „man“ sich um Schutzmaßnahmen zu kümmern hätte, da werden Firmen die sich regelkonform verhalten trotzdem angezeigt und können sich erst durch einen Lokalaugenschein rehabilitieren, der aber im anderen Fall aus Tirol gleich gar nicht stattfindet. Da reichen schon Drohungen und der meines Erachtens vollkommen irrelevante Hinweis auf eine durch ein Wettbewerbsunternehmen abgegebene Erklärung, um die Arbeiten einzustellen.

Ungeachtet der unterschiedlichen individuellen Motivlage der Akteure in diesen Beispielen lässt sich stets alles  auf einen gemeinsamen Nenner reduzieren: Wer soll die Party am Ende des Tages bezahlen? Hier die Schutzmaßnahmen, dort die Firmenpleite und die damit verbundene Arbeitslosigkeit der Mitarbeiter? Und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für den Einzelnen, für gesellschaftliche Gruppen bzw. für die Volkswirtschaft selbst?

Und wie weit wollen wir die Auslagerung von Verantwortung weg vom Einzelnen auf privatwirtschaftliche (Unternehmen) oder volkswirtschaftliche Institutionen (Ministerien) tolerieren, weiter fördern oder vielleicht sogar reduzieren? Klar – eine Pandemie bedarf rascher, übergeordneter Maßnahmen, das steht außer Frage. Aber was bedeuten Betreiberverantwortung und Legal Compliance außerhalb solcher Ausnahmeereignisse? Und was wird das Ergebnis sein, wenn diese nicht in ausgewogener Weise gegenüber der Privatautonomie geschehen?

 

Autor: Ing. Peter Kovacs

 

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