Führungskräfte spüren zumindest Unbehagen, wenn sie einen Mitarbeitenden kündigen (müssen). Die Mehrzahl empfindet sogar Angst und starke Anspannung vor einem solchen Gespräch. Sie ahnen, dass während des Gesprächs vieles schieflaufen kann. 

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Die gekündigte Person, kann zu weinen beginnen oder einen Wutanfall bekommen. Möglicherweise kommt es sogar zum offenen Streit. Zu diesen Befürchtungen kommen noch Fantasien, was nach dem Gespräch alles passieren könnte. Die verbliebenen Mitarbeiter:innen könnten sich gegen die Führungskraft solidarisieren, gemeinsam die Arbeit verweigern oder sogar offen gegen die Entscheidung auftreten. Die Kündigung könnte dazu beitragen, dass die Führungskraft als herzlos oder brutal gesehen wird. In den allermeisten Fällen entsprechen diese Horrorszenarien nicht den tatsächlichen Umständen. Diese Bedenken und Ängste sind zwar nachvollziehbar, aber sie verstellen die Sicht auf die wahren Fallen, die es bei jeder Kündigung gibt:

 

1. Das Drängen auf Einsicht

Das wesentliche Ziel des Gesprächs ist, dass die gekündigte Person die Kündigung zur Kenntnis nimmt. Einsicht, Verständnis oder sogar Zustimmung sind jedenfalls zu viel verlangt. Versuchen Sie die gekündigte Person nicht zu überzeugen, dass die Kündigung berechtigt ist. Dahinter steckt doch nur der Versuch, das eigene schlechte Gewissen zu entlasten. Nach einigen Wochen oder vielleicht auch Monaten kann diese Einsicht noch kommen, aber meistens nicht während des Gesprächs. Geben Sie den Menschen Zeit, den Schock zu verarbeiten und sich auf eine neue Lebenssituation einzustellen.

 

2. Die späte Abrechnung

Bei einer Kündigung wegen mangelnder Leistung oder schwerem Fehlverhalten hegt die Führungskraft oft noch beträchtlichen Groll. Die Verlockung ist groß, das Kündigungsgespräch zu nutzen, um den Ärger und die Enttäuschung der letzten Zeit loszuwerden. Falls Sie diesen Wunsch spüren, sprechen Sie sich den Ärger vorher von der Seele, indem Sie sich mit einem Kollegen oder einer Kollegin austauschen. Wer in einem Kündigungsgespräch erstmals Vorfälle aufzählt oder Fehlverhalten darstellt, nutzt die Schwäche des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin in missbräuchlicher Art für eine späte Abrechnung.

 

3. Abschied im Streit

Die Entscheidung zur Kündigung ist bereits gefallen. Lassen Sie sich nicht in Diskussionen über die Hintergründe oder den Anlass verwickeln. Sie müssen sich nicht für die Entscheidung rechtfertigen. Die Mitteilung der Kündigung braucht nur sehr wenig Zeit. Die Details der Trennung und die Konditionen können in vielen Fällen ruhiger besprochen werden, sobald die schlechte Nachricht verarbeitet ist. Für Tränen oder sprachloses Schweigen sollte jedoch jedenfalls ausreichend Zeit bleiben.

 

4. Der Schrecken ohne Ende

Wer eine Kündigung ausspricht, sollte sich absolut sicher sein, dass das die richtige Entscheidung ist. Falls Sie vor dem Gespräch noch Zweifel spüren, sprechen Sie mit Ihrer Chefin, Ihrem Chef, den Kollegen und Kolleginnen oder einem Coach. Immer wieder werden gekündigte Personen versuchen Sie mit Versprechungen, umfassenden Schuldbekenntnissen, Drohungen, Verführungsversuchen oder auch mit guten Argumenten von Ihrer Entscheidung abzuhalten. Wenn Sie die Kündigung jetzt noch zurückziehen, bleibt eine berechtigte Frage im Raum: Warum sind Sie in das Gespräch gegangen, ohne sich alle Aspekte vorher zu überlegen? Falls Sie nach zwei oder drei weiteren Monaten erneut die Kündigung aussprechen, wird das Ende noch einmal deutlich bitterer sein.

 

Wenn Sie diese vier Fallen vermeiden, können Sie sicherstellen, dass Sie zur Enttäuschung nicht auch noch eine Verletzung hinzufügen. Gerade in schwierigen Situationen wie einer Kündigung können Sie zeigen, dass Sie Ihre Mitarbeitenden respektieren. Mir haben schon mehrere Führungskräfte berichtet, dass ihnen frühere Mitarbeitende nach einiger Zeit sowohl für die Achtsamkeit als auch für die Klarheit im Kündigungsgespräch gedankt haben. Vielleicht wird auch Ihnen eines Tages eine ehemalig angestellte Person sagen, dass sie froh ist, gerade von Ihnen gekündigt worden zu sein. 

 

Autor: Mag. Alfred Faustenhammer

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