In vielen Unternehmen beginnen bereits die Vorbereitungen für die Erstellung der Jahresabschlüsse und Bilanzen. Wo die Grenze zwischen legitimen bilanzpolitischen Maßnahmen und strafbaren Bilanzdelikten verläuft, erfahren Sie in diesem Beitrag.

 

Bilanzpolitik

Während Maßnahmen der Bilanzpolitik (noch) zu einem wahrheitsgemäßen Abschluss führen, ist das bei Bilanzdelikten nicht (mehr) der Fall.

Unter Bilanzpolitik (Jahresabschlusspolitik, Bilanzkosmetik) versteht man das Ergreifen von legalen Maßnahmen, die Auswirkungen auf das Ergebnis des Jahresabschlusses haben.

Bilanzpolitik ist damit eine Informationspolitik zur Veranlassung der Bilanzadressaten zu einem Verhalten, das den Zielen derjenigen entspricht, die die Bilanzpolitik betreiben. Bilanzpolitik umfasst alle Maßnahmen zur Gestaltung der Vermögens-, Ertrags-, Finanz- und Risikolage im handels- und steuerrechtlichen Abschluss durch Darstellungen von Sachverhalten einerseits und die Ausnützung von Bilanz- und Bewertungswahlrechten andererseits.

Das Ziel ist die Beeinflussung von Bilanzadressaten oder von Rechtsfolgen, wie z.B. in der Steuerbilanzpolitik. Immer bleibt dabei – auch beim Nutzen legaler Spielräume – ein negativer Beigeschmack: Wird eine mögliche Täuschung der Bilanzadressaten oder Hintergehen von Vertragspartnern vorbereitet oder beabsichtigt?

 

Hauptziele der Bilanzpolitik

Die hauptsächlichen Ziele der Bilanzpolitik sind:

  • Die Maximierung des ausgewiesenen Erfolgs, oft in Verbindung mit der Befriedigung von Anreizen des Managements (z.B. kursabhängige Prämien oder stock options),
  • Die Minimierung des ausgewiesenen Erfolgs (um Steuern zu sparen, „big bath“, d.h. wenn „Leichen aus dem Keller“ geholt werden müssen, die der Vorgänger in der Bilanzerstellung hinterlassen hat, wird ein Geschäftsjahr schlecht dargestellt und damit eine niedrige Messlatte für künftige Jahre gelegt),
  • Das Glätten des ausgewiesenen Erfolgs über die Zeit, um z.B. geringe Schwankungen um das Ergebnis des Vorjahres zu zeigen, und/oder um Erwartungen von Stakeholdern zu entsprechen.

 

Zu welchen Zeitpunkten setzt Bilanzpolitik an?

Maßnahmen der Bilanzpolitik setzen an:

  • vor dem Bilanzstichtag (= Sachverhaltsgestaltung): Wahl des Bilanzstichtags, technische Manipulationen wie das Verschieben von Einkäufen, Window dressing, Leasing statt Kauf, Sale and lease back, verdeckte Gewinnausschüttungen oder verdeckte Einlagen).
  • nach dem Bilanzstichtag: Ausnützung unbestimmter Rechtsbegriffe wie z.B. beizulegender Wert oder voraussichtliche Nutzungsdauer, Aktivierungs-, Passivierungs- und Bewertungswahlrechte.

 

Grenzen der Bilanzpolitik und Ermessensspielräume

Einschränkungen der Bilanzpolitik liegen im Stetigkeitsprinzip, das u.a. die Beibehaltung von einmal verwendeten Methoden der Bilanzierung desselben Geschäftsfalles in künftigen Jahresabschlüssen verlangt und eine Durchbrechung nur bei Vorliegen besonderer Umstände vorsieht. In der Praxis wird dieses Problem zwar dadurch weitgehend entschärft, als für einen in Übereinstimmung mit den GoB erstellten Jahresabschluss die Vermutung gilt, dass er ein möglichst getreues Bild der tatsächlichen Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens vermittelt.

Dennoch bleibt zu bedenken, dass – auch ohne kriminelle Handlungen – kein objektiv richtiger Jahresabschluss möglich ist, und der Bilanzleser dies bedenken muss. Mehrere Abschlüsse ein- und desselben Unternehmens zum selben Stichtag mit unterschiedlichem Ergebnis können theoretisch zutreffend und „richtig“ sein.

Bilanzpolitik ist ein legales, facettenreiches, unternehmenspolitisches Instrument. Ermessensspielräume sind wenig offensichtlich.

 

Bilanzfehler

Bilanzfehler erfolgen i. d. R. ohne Vorsatz. Es besteht ein Graubereich zwischen Fehlern und Bilanzdelikten. Fehler geschehen unbewusst, daher werden keine Maßnahmen gesetzt, um sie zu verstecken. Sie hinterlassen eine Prüfungsspur (Audit Trail), der ein beauftragter Prüfer folgen kann und auch fündig wird.

 

Bilanzdelikte

Unter Bilanzdelikten werden bewusste Verstöße gegen bilanzrechtliche Vorschriften einerseits auf der vorgelagerten „Erstellungsebene“ der Buchführung als auch auf der „Abbildungsebene“ im Jahresabschluss verstanden. Deliktsfälle sind oft durch ausgeprägten Leichtsinn bezüglich interner Kontrolldefizite und -lücken im Unternehmen geprägt.

Bei Bilanzdelikten geht es um die unrichtige Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens.

Bilanzfälschung heißt, es muss ein unrichtiger Abschluss vorliegen, d. h. ein vorsätzlicher, mit Schädigungsabsicht begangener Verstoß gegen materielle Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, insbesondere der Bilanzwahrheit. Es wird die Vermögens-, Liquiditäts- bzw. Ertragslage des Unternehmens durch Ansatz unzulässiger Werte, Weglassen oder Einsetzen fiktiver Bilanzposten unrichtig dargestellt.

Unrichtig bedeutet, es wird kein „… möglichst getreues Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens …“ (d. i. die Generalnorm des § 222 Abs. 2 UGB) vermittelt.

Bilanzdelikte sind – im Gegensatz zu den im Wirtschaftsstrafrecht i. d. R.  anzutreffenden Erfolgsdelikten – abstrakte Gefährdungsdelikte, müssen also zu keinem konkreten Schaden bei Normadressaten führen.

 

Autoren: Dr. Helmut Siller, Weka Redaktion

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