Mobbingvorwürfe stellen Führungskräfte vor die Frage, wie mit der Situation umzugehen ist. Lesen Sie hier, wie Sie sich richtig verhalten.
Wenn Mitarbeitende berichten, sie würden gemobbt, beginnt für Führungskräfte ein besonders heikler Teil ihrer Aufgabe. Der Begriff „Mobbing“ hat Gewicht. Und oft steckt viel Schmerz, manchmal auch Hilflosigkeit dahinter. Doch nicht jeder Konflikt ist automatisch Mobbing. Manchmal geht es um einen klassischen Interessenskonflikt oder ein Missverständnis, das sich hochgeschaukelt hat. Was für die eine Seite wie gezielte Ausgrenzung wirkt, ist für die andere Seite vielleicht ein ungelenker Umgang mit Spannungen oder schlicht Unachtsamkeit.
Wer hier vorschnell urteilt – in die eine oder andere Richtung –, macht einen Fehler. Denn wer den Vorwurf abtut, riskiert, die betroffene Person zu verlieren. Und wer die Wertung „Mobbing“ ungeprüft übernimmt, zieht möglicherweise jemanden zu Unrecht zur Verantwortung. In beiden Fällen drohen langfristige Schäden im Teamgefüge – und für die eigene Glaubwürdigkeit als Führungskraft.
Ein Fall aus der Praxis: Es beginnt mit einem Satz
Eine Teamleiterin im Customer Service eines Dienstleistungsunternehmens wird von einer Mitarbeiterin angesprochen: „Ich halte das nicht mehr aus. Ich werde von meiner Kollegin systematisch fertiggemacht.“ Petra, die Abteilungsleiterin, hört aufmerksam zu. Keine Entgegnung, kein „Ach, das wird schon wieder“ – stattdessen die Frage: „Was genau ist passiert?“ Petra lässt sich konkrete Situationen schildern: Was wurde gesagt, wie wurde gehandelt, wer war dabei, wie hat es sich ausgewirkt? Nach einigen Nachfragen zeigt sich: Es geht um spitze Bemerkungen in Meetings, spürbares Ausgrenzen bei der Arbeitseinteilung und um einen unterschwelligen Ton, der die Betroffene regelmäßig verunsichert. Auch eine weitere Kollegin habe das schon bemerkt.
Petra bleibt ruhig. Sie bewertet noch nichts, aber sie erkennt: Die Vorwürfe sind nicht banal. Sie verspricht, den Vorfall zu prüfen – und zwar gründlich. Zu ihrer eigenen Absicherung dokumentiert sie die Aussagen, klärt mit der Personalabteilung das weitere Vorgehen und vereinbart ein Einzelgespräch mit der beschuldigten Kollegin.
Zwischen Schlichtung und Eskalation: Was ist jetzt angemessen?
Je nachdem, wie klar oder vage die geschilderten Vorfälle sind, gibt es verschiedene nächste Schritte. Wenn der Eindruck entsteht, dass zwei Menschen einfach immer wieder aneinandergeraten – ohne gezielte Kränkung oder systematische Ausgrenzung – kann ein moderiertes Gespräch mit beiden Betroffenen sinnvoll sein. Ziel: Verständnis schaffen, Vereinbarungen treffen, Zusammenarbeit wieder ermöglichen. Voraussetzung: Beide Seiten sind gesprächsbereit und es liegen keine massiven Machtgefälle oder strukturellen Abhängigkeiten vor.
Anders sieht es aus, wenn die Vorwürfe schwer wiegen – und vielleicht sogar durch andere Personen bestätigt werden. In diesem Fall ist ein Einzelgespräch mit der beschuldigten Person der bessere nächste Schritt. Wichtig dabei: Auch hier gilt die Unschuldsvermutung. Niemand ist verurteilt, nur weil jemand etwas behauptet hat.
Achtung: Nicht zum Spielball machen lassen
Eine häufige Falle: Beide Seiten rennen zur Führungskraft, liefern unterschiedliche Versionen und verlangen sofortige Stellungnahme. Wer sich hier treiben lässt, wird unweigerlich zwischen die Fronten geraten. Beide versuchen dann, Sie auf ihre Seite zu ziehen – oft mit Halbwahrheiten, aus dem Zusammenhang gerissenen Aussagen oder emotionaler Manipulation.
In solchen Fällen gilt: Ruhe bewahren. Nicht gegeneinander ausspielen lassen. Keine Bewertungen treffen, bevor alle relevanten Informationen vorliegen. Und ganz wichtig: Nicht allein bleiben. Holen Sie sich frühzeitig Unterstützung – durch die eigene Führungskraft, die Personalabteilung oder den Betriebsrat. Besonders dann, wenn sich die Situation zuspitzt oder der Vorwurf auch rechtlich relevant werden könnte.
Führung bedeutet: Klarheit statt Schnellschuss
Was es jetzt braucht, ist eine differenzierte Reaktion: Zuhören, nachfragen, dokumentieren. Herausfinden, ob es sich um eine persönliche Kränkung, einen schwelenden Konflikt oder tatsächlich um systematisches Mobbing handelt. Überstürzen Sie nichts, aber lassen Sie auch keine Zeit verstreichen, wenn die Schilderungen ernstzunehmend sind. Sorgen Sie dafür, dass sich niemand im Team alleingelassen fühlt und dass gleichzeitig niemand ungerecht behandelt wird. Denn in solchen Situationen zeigt sich, ob Führung wirklich gelingt.
Wenn Sie in solchen heiklen Situationen sicherer werden wollen – mit der richtigen Gesprächsführung, klarer Haltung und einem strukturierten Vorgehen – lade ich Sie herzlich zu meinem Seminar „Schwierige Führungssituationen gelassen bewältigen“ ein. Wir arbeiten dort praxisnah an echten Fällen und bereiten Sie konkret auf solche Gespräche vor.
Denn schwierige Gespräche wird es immer geben. Entscheidend ist, wie Sie damit umgehen. Und genau das kann man lernen. Schritt für Schritt – und mit Haltung.
Autor: Mag. Alfred Faustenhammer
Seminartipp: Seminar Schwierige Führungssituationen