Es gibt viele verschiedene Führungsstile: Von traditionell autoritären Ansätzen über konsensorientierte Stile bis hin zu agilen Management-Methoden. Doch allgemein dient Führung vor allem dazu, die Komplexität in Organisationen zu bewältigen. Daneben gibt es auch eine starke Wechselwirkung zwischen Unternehmenskultur und Leadership: Die Kultur beeinflusst den Führungsstil und umgekehrt gestalten Führungskräfte die Kultur einer Organisation mit.

 

Wie sieht dies konkret in der Praxis aus?

Um Ziele zu erreichen, braucht es auf einer vorgelagerten Ebene Strukturen und Prozesse. Hier werden Organisationseinheiten definiert, Abläufe festgelegt und Spielregeln implementiert. Diese Ebene ist Teil eines Spielfeldes, auf welchem Führungskräfte und Mitarbeitende zusammentreffen.

In enger Wechselwirkung damit steht eine weitere vorgelagerte Ebene, nämlich die Kultur der Organisation. Deren Elemente sind von noch größerer Bedeutung: die Vision, Werte und Normen sowie die Identität, welche den Kern des Unternehmens ausmacht. Die Vision gibt die Richtung vor, in die sich das Unternehmen bewegt. Zunächst muss diese klar definiert, kommuniziert und verstanden werden und erst danach hat es einen Sinn, Ziele und Prozesse zu definieren.

Werte und Normen geben den Rahmen vor, innerhalb dessen das Verhalten aller Mitarbeitenden stattfinden soll. Sie sagen aus, was der Gemeinschaft wichtig ist, dabei definieren die Normen im Detail, wie sich erwünschtes von unerwünschtem Verhalten unterscheidet und wie bei Verstößen vorgegangen wird. Ähnlich wie bei der Vision kommt es zu einem laufenden Abgleich zwischen individuellen und kollektiven Werten und Normen: Mitarbeiter/innen prüfen für sich, ob die Werte der Organisation den ihren entsprechen, so dass sie einen stimmigen Beitrag mit ihrer Arbeit leisten können. Und umgekehrt gestalten sie das kollektive Bild mit, indem sie ihre persönlichen Werthaltungen einbringen. Menschen in Führungsrollen sind dabei besonders gefordert: Denn sie bringen sich nicht nur auf der persönlichen Ebene ein, sondern sorgen auch für den Abgleich und das Verständnis zwischen den individuellen Bildern und dem großen Ganzen.

Die Ebene der Identität stellt schließlich den Kernbereich jeder Organisation dar, denn dabei geht es um die grundlegende Frage: Wer sind wir? Und genauso wichtig: Wer oder was sind wir nicht? Auch hier ist ein Abgleich persönlicher Vorstellungen mit der übergeordneten Identität wichtig. Diese zu definieren, stellt eine Kernaufgabe der Führung dar und ist aufgrund der besonderen Priorität immer Chefsache. Denn mit Klarheit in der Identität stehen und fallen die zuvor angesprochenen Ebenen.

Die Summe der genannten Faktoren – Vision, Werte und Normen sowie Identität –

macht somit die Kultur eines Unternehmens aus. Das Kollektiv wird dadurch in seinem Tun erfahrbar und verständlich – einerseits für die Mitarbeitenden, andererseits auch für seine Umwelt. Daraus erschließt sich auch die Bedeutung dieses Themas: Dem Verständnis und dem Vermitteln der Kultur ist höchste Aufmerksamkeit zu widmen. Im Inneren umfasst dies Führung und interne Verständigung, nach Außen alle Kanäle der Unternehmenskommunikation.

 

Was bedeutet dies umgelegt auf heutige Unternehmen und vor allem auf das Thema Führung und Motivation?

Die althergebrachte Vorstellung von der Führungskraft als anleitende und in der Folge kontrollierende Instanz ist nicht mehr zielführend. Zum einen wird dies der Motivation und der Selbstverwirklichung von Mitarbeitenden nicht gerecht. Der Schiffsbauer, dem jeder einzelne Arbeitsschritt ohne eigene Entscheidungsräume vorgegeben wird und der ständig eng kontrolliert wird, kann seine vorhandene Motivation nicht im Sinne von Selbstverantwortung und Verwirklichung ausleben. Bekommt er jedoch einen Rahmen, in dem er eigenverantwortlich im Austausch mit Kolleg/innen seine Arbeit planen, gestalten und kontrollieren kann, wird er die „Sehnsucht nach dem Meer“ verspüren.

Konkret heißt das, dass er seinen Anteil an der Vision und Kultur des Unternehmens lebt. Diesen inneren Anteil kann eine Führungskraft nicht von außen „herbei-motivieren“ (auch wenn sich manche dies wünschen mögen). Führungskräfte können jedoch förderliche Rahmenbedingungen schaffen, um die intrinsische Motivation zur Entfaltung kommen zu lassen.

 

Autor: Mag. Hans Christian Jurceka